Ich bin’s wieder,
eigentlich hatte ich das Thema ja schon hier behandelt, aber da mir gerade beim Entmisten meines Postfaches ein wirklich haarsträubendes Exemplar eines Kettenbriefes in die Hände fiel, konnte ich nicht umhin, es auch hier noch einmal als abschreckendes Beispiel zu veröffentlichen. Der Text ist ausdrücklich nicht als Vorlage für eine neue Kettenbriefwelle aufzufassen! Ich erlaube mir, den Text an ausgewählten Stellen zu kommentieren.
Liebe Freunde, haltet dies bitte nicht für einen dummen Scherz. Bill Gates verteilt gerade sein Vermögen. Wenn ihr darauf nicht reagiert, könnte es Euch später leid tun. Windows ist noch immer das am häufigsten genutzte Programm. Microsoft und AOL experimentieren gerade mit diesem per e-Mail versandten Text (e-mail beta test) Wenn ihr diese Mail an Freunde versendet, kann und wird Microsoft zwei Wochen lang euren Spuren folgen.
Microsoft und AOL wollen zwei Wochen lang meine Spuren verfolgen?!? Geht’s denn noch? Was wollt ihr noch - zwei Wochen lang meine Webcam überwachen? Meine Festplatte durchsuchen?
Für jede Person, die diese Nachricht versendet, zahlt Microsoft 245 Euro. Für jede Person, der ihr diese Nachricht geschickt habt und die sie weiterleitet, bezahlt Microsoft 243 Euro. Für die dritte Person, die sie erhält, bezahlt Microsoft 241 Euro. Nach zwei Wochen wird sich Microsoft mit der Bitte um Bestätigung der Postanschrift an Euch wenden und euch einen Scheck schicken.
Aha, ich soll also immerhin dafür bezahlt werden. Ob die Entlohnung angemessen ist, darüber läßt sich freilich streiten. Aber sehen wir uns das Ganze mal genauer an. Billie Boy will also sein Vermögen verschenken. Laut Forbes beläuft sich dieses auf etwa 56 Milliarden US-Dollar. Soweit ich informiert bin, besitzt die höchste aktuell ausgegebene Dollarnote einen Nennwert von USD100 - d.h. Gates müßte sich 560 Millionen 100-Dollar-Noten besorgen, um die Kohle nach altbewährtem Vorbild aus dem Fenster werfen zu können. Es ist also verständlich, daß er sich nach Alternativen umgesehen hat, seinen Zaster zu verjubeln. Aber ob es wirklich einfacher ist, einige zigtausend Nutzer zu ermitteln, die alle diese Mail weiterleiten, deren Daten einzutreiben und denen auch noch entsprechend der Weiterleitungen eine Geldsumme zukommen zu lassen, wage ich ernsthaft zu bezweifeln. Einmal davon abgesehen, daß es keine Methode, weder legal noch illegal gibt, herauszufinden, die komplette Kette zurückzuverfolgen. Vielleicht sollte Bill Gates sein Vermögen besser in US-Hypothekenanleihen investieren, wenn er es zuverlässig loswerden will…
Mit freundlichen Grüßen Charles S. Bailey General Manager Field Operations 1-800-842-2332
Ext. 1085 or 904/245-1085 or RNX 292-1085
mailto:Charles_Bailey@csx.com
Ich habe dies für Betrug gehalten, aber zwei Wochen, nachdem ich diese Mail erhalten und sie weitergeleitet hatte, bat mich Microsoft um meine Postanschrift und ich habe einen Scheck über 24800 Euro erhalten. Ihr müsst antworten, bevor dieser Test beendet wird. Wenn jemand von euch diese Möglichkeit hat, sollte er sie nutzen. Für Bill Gates sind dies Ausgaben für eine Werbekampagne. Bitte sendet diese Nachricht so vielen Leuten wie möglich. Ihr solltet mindestens 10000 Euro erhalten. Wir wären ja bei der Weiterleitung dieser mail nicht behilflich, wenn nicht auch für uns etwas dabei herausspränge.
Für ne Werbekampagne würde ich auch mein komplettes Vermögen das Klo runterspülen. Mal ganz davon abgesehen, daß eine normale(!) Werbekampagne ein Kostenlimit hat, kann man hier wohl auch über die Legalität diskutieren. Ich bin nämlich sicher(und ich bin kein Anwalt), daß hier der Tatbestand einer Bestechung erfüllt wird. Soviel dann auch zum Thema “Ich kenne das Gesetz.
“Aber die 10000 Euro…”, wird jetzt vielleicht so mancher sagen.
Eine Bekannte meines Vaters hat sich vor einigen Monaten hier eingeklinkt. Als ich sie zuletzt besucht habe, hat sie mir ihren Scheck gezeigt. Die Summe betrug 4324,44 Euro als Gesamtleistung. Die Tante von guten Freunden, Tante Patricia, die für Intel arbeitet, hat gerade einen Scheck über 4543,23 Euro für die Weiterleitung dieser Mail erhalten.
Moment! War im vorigen Absatz nicht die Rede von “mindestens 10000 Euro”? Was haben diese Spinatwachteln falsch gemacht? Und außerdem - wie erklären sich die krummen Zahlen von 4324,44 oder 4543,23 wenn doch oben von ganzzahligen Beträgen von 245, 243 und 241 Euro für das erste, zweite und dritte Kettenglied die Rede war?
Wie gesagt, ich kenne das Gesetz und es stimmt, dass Intel und AOL gerade über eine Fusion verhandeln, die sie zum weltgrößten Anbieter machen würde und um sicherzustellen, dass sie das meistgenutzte Programm bleiben, führen sie diesen Test durch.
Über das “Ich kenne das Gesetz” haben wir ja oben schon herzlich gelacht. Hier kommt der nächste Angriff auf die Heiterkeitsmuskulatur: “Es stimmt, dass Intel und AOL über eine Fusion verhandeln…”. Äh…ja. Davon abgesehen, daß ein Mikrochiphersteller und ein Onlineprovider wohl kaum ein Interesse haben dürften, eine Fusion miteinander einzugehen, hat es derartige Pläne auch niemals gegeben. Höchstens vielleicht mal auf nem Saufgelage von den CEOs.
Interessieren würde mich aber auch, wieso hier mit einmal Intel ins Spiel gebracht wird. Was ist denn mit Bill Gates, der weiter oben noch sein Vermögen verschenken wollte? Ist der etwa schon pleite(während wir diese E-Mail lesen, hat er bestimmt schon die ein oder andere Milliarde rausgehauen - das geht schneller, als mancher ahnt) und darum nicht mehr erwähnenswert?
Und was soll der Kram mit “zum weltgrößten Anbieter machen”? Anbieter von was? Prozessoren mit beschleunigtem Befehlssatz für die Sprachausgabe von “Sie haben Post!”?
Spaßig auch der Passus “um sicherzustellen, daß sie das meistgenutzte Programm bleiben” - erinnert mich an den Schwank im Buchladen, wo der Kunde den Verkäufer fragt “Sind Sie die Kasse?” und der Verkäuer antwortet “Habe ich Tasten und eine Schublade für das Bargeld?”.
Herzliche Grüße aus dem zauberhaften Blaubeerwald.
Martin S.
Blaubeerwald-Institut
Einzigartige Delphin-, Mexiko- & Ägypten-Reisen
Spirituelle Seminare & Ausbildungen
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Das hat, glaube ich, nichts mehr mit dem eigentlichten Kettenbrief zu tun, aber wer meinen Humor teilt, findet auf der angegebenen Homepage sicherlich etwas zum Lachen.
So, und nun mal ernsthaft. Jeder von uns hat schonmal derartigen Datenmüll im Postfach gehabt. Viele von uns werden gegrübelt und sich gefragt haben “Das kann doch gar nicht sein. Geld dafür, daß ich ein bißchen mit der Maus klicke?”. Und viele werden sich wohl auch gesagt haben “Zwar glaube ich es nicht, aber es schadet ja niemandem, wenn ich es doch weiterleite. Und vielleicht ist ja doch was dran.”
Zugegeben: es klingt verführerisch, für praktisch Nichts tausende von Euro zu bekommen. Und wer von uns hat noch nie die Unternehmensberichte von Microsoft gelesen und die ständigen Rekordmeldungen über Bill Gates’ Reichtum gehört und sich gefragt, warum diese Bonzen nicht mal ein bißchen von dem Riesenhaufen abgeben. Und 10000 Euro sind ja nun wirklich nur Peanuts für einen milliardenschweren Unternehmer…
Fangen wir einfach mal mit einer simplen Rechnung an. Bill Gates hat 56 Milliarden Dollar. Beim heutigen Wechselkurs (1EUR = 1,4683USD) sind das gute 38 Milliarden Euro(über die lumpigen 140 Millionen, die ich mal eben weggerundet habe, wollen wir uns hier nicht streiten). Angenommen, Billie Boy schickt diese Email an genau einen Empfänger, Alfons. Dieser kriegt schon einmal 245 Euro, wenn er die Nachricht überhaupt nur weiterleitet. Alfons hat 20 Kumpels in seinem Adressbuch, und weil er weiß, daß er für jeden, der die E-Mail abermals weiterleitet 243 Euro erwarten darf, schickt er natürlich allen 20 die E-Mail zu. Nun gehen wir mal großzügig davon aus, daß fünf von diesen zwanzig im Urlaub sind, gerade was besseres zu tun haben oder einfach nicht auf den Trick hereinfallen und darum die E-Mail nicht weiterleiten. Die verbliebenen fünfzehn haben aber ebenfalls zwanzig Kumpels (wir gehen mal davon aus, daß jeder zwanzig Kumpels hat, die nur er kennt und keiner der anderen) und denen schicken sie den Kram ebenfalls zu.
Für Alfons springen hier schonmal 245€ + 15*243€ + 15*20*241€ = 76190€ heraus. Der letzte Posten sind laut o.g. Definition diejenigen, die die Mail als drittes Kettenglied empfangen, also die je zwanzig Kumpels von Alfons’ fünfzehn Kumpels. Für jedes der verbliebenen Kettenglieder nehmen wir mal an, daß auch er die Mail (von sich aus betrachtet) bis zum dritten Glied weiterleiten kann. Das heißt, Alfons’ 15 Kumpels und deren jeweils 20 Kumpels kriegen auch 76190€. Insgesamt macht das 76190€*(15+15*20) = 23.999.850€ die Billie dafür blechen muß, daß er seine Mail ursprünglich nur an Alfons geschickt hat. Insgesamt haben hier erst 316 Leute Kohle bekommen, nämlich Alfons’ 15 Kumpels, deren jeweils 20 Kumpels(15*20=300) und Alfons selbst. Nun stellen wir uns vor, daß die 300 Kumpels im letzten Glied auch alle jeweils 20 Kumpels haben, die auch alle 20 Kumpels haben, die auch alle 20 Kumpels haben. Macht 2,4 Millionen Kumpels, und wenn die alle Geld haben wollen sind das 182.856.000.000€ auf Billies Sollseite, in Worten 182,9 MilliardenEuro. Insgesamt haben wir damit nicht mal drei Millionen Kumpels versorgt und Billie steckt schon jetzt bis zum Hals in Schulden. Nun stellen wir uns noch rasch vor, daß es vielleicht 100 Millionen E-Mail Nutzer gibt die alles potentielle Geldabnehmer sind und stellen somit unweigerlich fest, das Bill bereits pleite ist, bevor wir auch nur dazu kommen, die Mail weiterzuleiten.
Wir sind uns also einig, daß der Punkt mit “könnte ja klappen” ein für allemal entkräftet ist. Selbst wenn die Möglichkeit, die Mails auf irgendeine Weise automatisch nachzuverfolgen, auch nur ansatzweise existieren würde(was sie nicht tut), wären die durch diese Geschichte entstehenden Kosten genug, nicht nur Microsoft, sondern gleich die gesamte amerikanische Volkswirtschaft zu ruinieren. Also nix mit “Dollars from Microsoft”. Niemand, der eine simple E-Mail weiterleitet, wird dafür jemals auch nur einen Cent kriegen. Aber das hat ja zum Glück auch niemand ernsthaft geglaubt. Und damit war es einfach nur ein harmloser, kleiner Scherz der ja niemandem wehtut und schon gar nichts kostet.
Achja?
Überlegen wir uns doch einmal, wie eine E-Mail von A nach B kommt. Zunächst muß irgendjemand diese E-Mail losschicken. Das setzt notwendigerweise voraus, daß sie in irgendeiner Form als binäre Daten existiert. Auch wenn die Mail vielleicht gerade einmal 10KB groß ist benötigt sie doch einen gewissen Speicherplatz auf irgendeiner Festplatte.
Sodann wird die E-Mail von Sender zu Empfänger gesendet. Sofern wir davon ausgehen, daß Sender und Empfänger nicht beim gleichen Anbieter ihre E-Mail-Konten unterhalten, entsteht hier gleich dreimal Datenverkehr: vom Computer des Senders zum Postausgangsservers seines E-Mail-Providers, von dort zum Posteingangsserver des Providers des Empfängers und von dort nocheinmal zum Computer des Empfängers, wenn dieser die Mail abruft. Auch wenn man es im Zeitalter von Flatrates mit unbegrenztem Datenvolumen gerne mal vergißt, so ist Übertragungskapazität im Internet weiterhin ein knappes Gut. Niemand verbuddelt tonnenweise Kupfer- und Glasfaserkabel, stellt Richtfunkstrecken auf und schießt Satelitten ins All ohne sich das bezahlen zu lassen. Das heißt im Klartext, daß für jedes Byte, das im Internet versendet wird, irgendjemand bezahlen muß. Und das sind in unvollständiger Aufzählung:
- die Internetprovider, die diesen Preis auf ihre Pauschaltarife umlegen und somit an den Endverbraucher(also an uns!) weitergeben
- die Mailanbieter, die die Kosten entweder über den Preis für das Postfach wieder reinholen, oder sich, im Falle eines kostenlosen E-Mail Accounts, das Ganze durch Werbung finanzieren lassen. Da die Werbeeinnahmen aber nicht beliebig auf den Kunden umlegbar und somit anpaßbar sind, müssen schlimmstenfalls Abstriche bei den Gratisangeboten gemacht werden
- die großen Telekommunikationsunternehmen, die Kontingente z.B. für Transatlantikkabel bei den Line-Providern kaufen und diese Kosten entsprechend an den Internetprovider(s.o.) weiterreichen
- und somit in letzter Instanz, direkt oder indirekt, der Endverbraucher, der in Form von Internetzugangskosten, von Mailboxkosten oder von Abstrichen bei werbefinanzierten Angeboten die Zeche zahlt.
“Aber es ist doch nur eine kleine Mail. Die kann doch nicht so viel anrichten.”
Richtig. Aber es sind Millionen von Nutzern, die jeden Tag so eine kleine Mail durch die Gegend schicken. Das läppert sich, und das läppert sich gewaltig. Und ein ganz entscheidender Kostenfaktor ist hierin noch nichtmal enthalten: die Zeit, die man benötigt, um diese Mail abzufertigen. Drei Szenarien sind denkbar:
- Der Empfänger liest die Mail von vorne bis hinten, liest sie nocheinmal, weil sie unglaublich erscheint und leitet sie dann an alle seine Kontakte weiter.
- Der Empfänger liest die Mail von vorne bis hinten und leitet sie dann in den Papierkorb weiter.
- Der Empfänger riecht den Braten und löscht die Mail ungelesen.
In den ersten beiden Fällen dürfte der Zeitaufwand schon nicht mehr vernachlässigbar sein und da ein Großteil der E-Mails am Arbeitsplatz gelesen werden dürfte, läßt sich hier bereits wieder ein finanzieller Schaden ausrechnen. Einzig der dritte Fall ist mit vertretbarem Zeit- und Arbeitsaufwand verantwortbar und damit der einzig richtige Weg, mit diesem Schund umzugehen.
Zum Schluß sei hier noch eine Anmerkung gemacht, die vielleicht der gewichtigste Grund ist, einen Kettenbrief nicht weiterzuleiten. Wie oben lang und breit dargelegt, ist relativ wenig Hirnschmalz erforderlich um zu kapieren, daß man es mit einer Leuteverarschung zu tun hat - und einer schlechten noch dazu. Wer einen derartigen Kettenbrief weiterleitet, dokumentiert also nur die eigene Dummheit und das Unvermögen, Sinnvolles von Datenmüll zu unterscheiden. Damit nicht genug, unterstellt er jedem einzelnen der Empfänger dieselbe geistige Unfähigkeit, denn er würde die Mail nicht weiterleiten, wenn er nicht annehmen würde, daß der Empfänger nicht auch in irgendeiner Form daran glaubt. Je nach persönlichem Ermessen kann man sich dadurch gestört, belästigt oder im schlimmsten Fall beleidigt fühlen.
Im Fazit: Wer Kettenbriefe weiterleitet, trägt zu in nicht unerheblicher Weise zu finanziellen Schäden anderer bei, disqualifiziert sich selbst in den Augen der Weiterleitungsempfänger, stiehlt diesen ihre Zeit und unterstellt denselben darüberhinaus, daß sie sich genausoleicht durch eine plumpe Masche verarschen lassen, wie man selbst.
Somit meine Bitte: wenn euch jemand einen Kettenbrief schickt, tut das einzig richtige und löscht ihn. Es bleibt euch überlassen, ob ihr ihn vorher aus Gründen der Erheiterung lest. Was auch immer passiert: leitet ihn nicht weiter. Auf keinen Fall. Wenn ihr gerade euren karitativen Tag habt, klärt den Absender in klaren, höflichen Worten über seinen Fauxpas auf.
Das habe ich hiermit für alle Kettenbriefe, die mich in Zukunft erreichen mögen, getan.
Als Inspiration diente mir hierzu ein Text von der Seite www.hoaxbusters.de, den ich hiermit ausdrücklich als Quelle angeben möchte. Zwar habe ich keinerlei Zitate von dort übernommen, aber ich halte es trotzdem für angemessen, auf die Seite zu verweisen, nicht zuletzt, weil ich das dortige Anliegen, gegen Internetmüll vorzugehen, ausdrücklich begrüße.